Der Kreisbauernverband Werra-Meißner sieht die Weidetierhaltung im Werra-Meißner-Kreis in Gefahr und mit ihr die wertvollen Naturschutzflächen im Kreis. Grund dafür sind die häufigen Wolfssichtungen und Risse von Nutztieren.

Mit 24.000 ha "Natura 2000-Gebieten" ist der Werra-Meißner-Kreis hessenweit führend. Nicht umsonst wurde er durch das Bundesamt für Naturschutz zum „Hotspot der Biodiversität“ erklärt.

Diese wertvollen Naturschutzflächen, aber auch die zahlreichen Grünlandflächen werden durch Rinder, Schafe und Ziegen beweidet. Ohne regelmäßige Beweidung können die Flächen kaum von Büschen und Sträuchern freigehalten werden. Mulchen der Flächen führt zu einer Nährstoffanreicherung im Boden und damit zu einer Veränderung der Pflanzenarten.

Die gehäuften Sichtungen des Wolfes im Landkreis sind nun für die Tierhalter Grund zur Sorge. Bei Rissen von Nutztieren in Hersfeld-Rotenburg und im Schwalm-Eder-Kreis wurde bereits bestätigt, dass es sich um einen Wolf handelte. Von den Nutztierrissen im Landkreis stehen die Ergebnisse noch aus.

Volle Transparenz über die in Deutschland lebenden Wölfe wäre wünschenswert, ebenso wie eine zügige DANN-Analyse. Außerdem müssen die betroffenen Halter informiert werden, dass in ihrem Fall ein Wolf die Tiere gerissen hat. Nach Kenntnis des Kreisbauernverbands ist das zurzeit nicht der Fall.

Über 73 Wolfsrudel, einige Paare und zahlreiche Einzeltiere leben laut DBBW, der Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf, in Deutschland, die meisten davon in Sachsen. Durch seinen Schutzstatus kann sich der Wolf nahezu ungehindert ausbreiten- mit fatalen Folgen für die heimische Weidetierhaltung. „Die Weidetierhaltung unserer Landwirte wird vor große Probleme gestellt. Denn mit steigender Wolfszahl steigen auch die Schäden, die von Wölfen verursacht werden“, so Uwe Roth, Geschäftsführer des Kreisbauernverbands.

„Jeden Morgen rechnet man mit dem Schlimmsten, wenn man die Herde kontrollieren möchte“, ergänzt Torsten Möller, erster Vorsitzender des Kreisbauernverbands und selbst Halter einer Mutterkuhherde.

Der Angriff eines Wolfes versetze eine ganze Herde in Panik. Das bliebe nicht ohne Folgen für die überlebenden Tiere. Zusätzlich zum Verlust der gerissenen Tiere kommt es durch den Stress bei tragenden Kühen und Schafen zu Fehlgeburten. Außerdem verlören die Tiere das Vertrauen in den Menschen und seien noch wochenlang sehr nervös und schreckhaft. „Es muss möglich sein, unseren Tieren auch weiterhin eine artgerechte Weidehaltung bieten zu können“, so Möller. Zurzeit habe er viele schlaflose Nächte aus Sorge um seine Rinder.

Der Schadensersatz für verendete Tiere ist gering. Schäden, die entstehen, wenn eine Herde in Panik flieht und einen Unfall verursacht, werden nicht beglichen.

Der Kreisbauernverband fordert, dass diese Schäden- einschließlich möglicher Folgekosten- unbürokratisch erstattet werden müssen. Auch der Ertragsausfall muss mitberechnet werden. Hierfür müsse die Beweislast hinsichtlich eines Nachweises eines Wolfsrisses zugunsten des Tierhalters umgekehrt werden.

 Herdenschutz gestaltet sich schwierig

Eine „wolfssichere“ Einzäunung ist- sofern es sie denn tatsächlich überhaupt gibt-

nicht auf jeder Fläche umzusetzen. 31 Euro Zuschuss je Hektar ermöglichen kaum, einen wolfssicheren Zaun zu bauen. Außerdem überwand ein Wolf in Seigertshausen diesen „wolfssicheren Zaun“ bereits. Torsten Möller erklärt dazu: „Entlang unserer Flächen stehen rund 20 Kilometer Zaun guter fachlicher Praxis entsprechend. Die Umrüstung auf einen wolfssicheren Zaun läge in sechsstelliger Höhe. Das ist nicht umsetzbar.“

Er stellt auch die Frage, welche Auswirkungen ein wolfssicherer Zaun auf andere Arten habe. Füchse und Waschbären nutzten die Flächen zur Jagd, Rehe versteckten die Kitze beispielsweise im Gras.

Der Einsatz von Herdenschutzhunden als Alternative ist nicht nur sehr teuer, sondern bringt eine weitere Schwierigkeit mit sich: Als Herdenschutzhund ist seine Aufgabe, die Herde vor jeglicher Gefahr zu schützen- auch vor Spaziergängern oder Hunden. In einem Landkreis, der vom Tourismus profitiert, ist es fraglich, ob Herdenschutzhunde das richtige Konzept zum Schutz vor Wölfen sind.

„Der Schutz der Weidetierhaltung muss vor dem Schutz des Wolfes stehen“, fordert Roth, „Wie sonst sollen Grünland und Naturschutzflächen nachhaltig erhalten werden, wenn nicht durch Beweidung?“

Auch die Förderung von Herdenschutzmaßnahmen müssen einfach und unbürokratisch einschließlich der Arbeitszeit entschädigt werden. Eine Einzäunung kann dabei nur dem Schutz vor einem Ausbrechen der Tiere dienen, nicht aber als Schutz vor Wolfsangriffen. Deshalb dürfen Entschädigungen nicht daran bemessen werden, ob der Zaun einen Wolf hätte abhalten können, Tiere zu reißen, sondern ob der Zaun einer guten fachlichen Praxis entspricht.  

Die Wiederansiedelung des Wolfs darf nicht uneingeschränkt vorangetrieben werden. Die Belange der Weidetierhaltung und der Landwirte, aber auch deren gesellschaftlichen Leistungen im Naturschutz und in der Landschaftspflege müssen angemessen berücksichtigt werden.